1664 – 2014, 350 Jahre Mennistenkonzession
Ein wichtiger Schritt zu Toleranz und Menschenrechten
Die Mennistenkonzession, das Toleranzedikt des Kurfürsten Karl Ludwig von 1664, markiert einen wichtigen Schritt in der Entwicklung von Freiheits- und Menschenrechten. Mit ihr wurde einer religiös nonkonformen Gruppe ein, wenn auch eingeschränktes, Existenz- und Bleiberecht zugestanden. Die Mennistenkonzession ist somit Vorläuferin heutiger Grundrechte wie Recht auf Leben, Freiheit der Person, Religions- und Gewissensfreit, Freizügigkeit und Versammlungsfreiheit. Die ehemalige Kurpfalz umfasste Gebiete vor allem in den heutigen Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Nachkommen der damaligen Einwanderer versammeln sich hier noch heute in den Mennonitengemeinden. Die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden (ASM) und der Verband deutscher Mennonitengemeinden (VdM) planen für das Jubiläum 2014 eine zentrale Veranstaltung und regionale Ereignisse.
Vom 04.08.1664 datiert ein Schreiben des Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig an seine Amtleute. In dieser Mennistenkonzession konstatiert er den der Verwaltung schon bekannten Umstand, dass sich im durch den 30jährigen Krieg verwüsteten Kurfürstentum „neben anderen Zuwanderern auch Leute eingefunden haben, die man Mennisten nennt“. Sie versammeln sich „abgesondert von den üblichen Religionen“ und kennzeichnen sich dadurch, dass „sie sich des Gewehrs und aller Kriegshändel enthalten“. Sie hätten „auch sonst noch die einen oder andern Sonderbarkeiten unter sich“, das sei aber unerheblich und interessiere ihn nicht, „weil wir zuvörderst Menschen und Unterthanen benötigen, die das verödete Land wieder aufbauen und instand bringen“.
Schon seit Kriegsende 1648 waren täufererische Flüchtlinge aus der Schweiz in die Kurpfalz eingesickert. Ihr Aufenthalt war jedoch illegal, ihre Versammlungen verboten. Nun lässt der Kurfürst verlautbaren: „diese vorerwähnten Mennisten … vorerst … zu dulden, jedoch in beschränktem Ausmaß.“ Karl Ludwig stellt Bedingungen: Alle sollen registriert werden. Nicht mehr als 20 Personen dürfen sich versammeln. Sie dürfen „niemanden zu sich hereinlassen“ und es wird ihnen befohlen, „sich des Wiedertaufens gänzlich zu enthalten“. Auch müssen sie sechs Gulden mehr Steuern als andere Untertanen entrichten, die sogenannten „Mennisten-Recognitionsgelder“.
Aus dem „Vorerst“ wurde eine dauernde Ansiedlung. Zwar gab es Rückschläge und Einschränkungen. Doch zu profitabel waren die innovativen mennonitischen Landwirte, als dass die Duldung widerrufen worden wäre. Im 18. und 19. Jahrhundert wanderten allerdings viele weiter nach Nordamerika, wo sie ihren Glauben wirklich frei leben konnten.
Die Mennistenkonzession markiert einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Freiheits- und Menschenrechte. Zeitbedingt zunächst als fürstliches „Privileg“ für eine Gruppe religiöser Nonkonformisten formuliert, mit manchen Einschränkungen und erhöhter Steuerlast versehen, lässt sie sich doch als Vorläuferin heutiger Grundrechte sehen. Die Existenz religiöser Dissidenten und ihre rechtliche Integration in die entstehende bürgerliche Gesellschaft gab wesentliche Impulse für die Formulierung und Durchsetzung der Menschenrechte. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Konkretion der Religions- und Gewissensfreiheit wurde nach dem 2. Weltkrieg auch im Dialog
mit den Mennonitengemeinden und auf dem Hintergrund ihrer Geschichte ins Grundgesetz aufgenommen.
Zum ersten Mal formuliert 1664 ein bedeutender Staat in Süddeutschland ein Bleibe- und Existenzrecht für Menschen abweichenden Glaubens. Der Westfälische Friede erwähnt nur Katholiken, Lutheraner und Reformierte als rechtlich zulässig, wo der Fürst die jeweilige Konfession zu der seinen macht. Mit der Bezeichnung „Mennisten“, nach dem Täuferführer Menno Simons (1496-1561), umging der Kurfürst die nach Reichsrecht noch immer drohende Todestrafe für „Wiedertäufer“. – Im 16. Jahrhundert war die Täuferbewegung, oft als „linker Flügel der Reformation“ bezeichnet, durch unnachgiebige Verfolgung auch in der Kurpfalz ausgelöscht worden.
Für die Hiergebliebenen war die Duldung ein zweischneidiges Schwert. Sie hatten einen Ort zum Überleben und konnten sogar wirtschaftlichen Erfolg erreichen. Doch passten sie sich notgedrungen den Bedingungen der Duldung an und so relativierte sich nach und nach die Entschiedenheit ihres Glaubens samt ihres an der Nachfolge Jesu orientierten Pazifismus. Erst nach dem 2. Weltkrieg setzte eine Rückbesinnung ein.
Dieses wichtige Datum für die Entwicklung von Toleranz, Menschenrechten und bürgerlicher Freiheit soll entsprechend gefeiert werden. Neben der Bedeutung für die Mennoniten selbst und das Neben- und Miteinander verschiedener Bekenntnisse, hat es Relevanz für die Entwicklung des Rechtsstaates und der Zivilgesellschaft. Das Dokument von 1664 wirft zudem ein Licht auf heutige Herausforderungen des Zusammenlebens, der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten, der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen.
1664-2014: 350 Jahre Mennistenkonzession
Wolfgang Krauß, Hauptstraße 86, 69245 Bammental, 06223-488576, 01522-1627812, wolf@loewe-und-lamm.de
Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden K.d.ö.R. (ASM)
Verband deutscher Mennonitengemeinden K.d.ö.R. (VdM), www.mennonitisch.de Mennonitischer Geschichtsverein, eV. (MGV), www.mennonitischer-geschichtsverein.de