Moritat zur Entnazifizierung
Empfehlung für Herrn Meier, zwecks baldiger Entnazifizierung
Herrn Meier kenn ich lange Zeit
Und bin deshalb recht gern bereit,
Dies schriftlich für ihn darzulegen:
Nie war dafür er, stets dagegen.
Jawohl, gewiß, er war PG,
Doch kennt man ihn aus nächster Näh‘
Wird jedem Menschen völlig klar,
Daß Meier Antinazi war.
Wie soll ich seinen Eintritt schildern?
Er wollte die Tendenzen mildern,
Die die Partei damals vertrat,
Er glaubte, daß auf seinen Rat
Wenn er erst mal „Heil Hitler“ riefe
Der „Umbruch“ dann im Sand verliefe.
Bald fühlt er schnöd sich übergangen
Und seitdem hat er angefangen
Gegen die Nazis anzugehn,
Doch könnt‘ das nur passiv geschehn.
Als man die Juden deportiert,
Da hat Herr Meier protestiert
Nicht öffentlich, das konnt nicht sein,
Doch still in seinem Kämmerlein
Da sagte er zu Herren Specht
„Ich glaube, Freund, das ist nicht recht“
Dies Wort, so kühn und hilfsbereit
Zeigt Meiers edle Menschlichkeit.
Niemals hat Meier eine Nacht
den Luftschutzwachdienst mitgemacht
Er wußt, was Antinazi-Pflicht
War er bestimmt, so kam er nicht.
Er hat stattdessen ungestört
Sich Radio London angehört
Mit Zittern und mit Zähneklappern,
Und dann, die Angst, sich zu verplappern!
Die Kirche, die besucht er fleißig,
Bis daß im Jahre 38
Er aus der Kirche ausgetreten.
Er wollt‘ nicht für den Führer beten.
Und 45 trat er wieder
Zum Kreise der Gemeindeglieder.
Als alles mußt zum Volkssturm gehen,
Ward Meier nirgendswo zu sehn,
10 Zeugen sind dafür vorhanden,
die Meier suchten und nicht fanden.
Die letzten Wochen sowieso
Bewachte ihn die Gestapo
Und eine Liste existiert,
Auf der Herr Meier schon notiert
Man hätt ihn ins KZ gebracht
Hätt‘ der Ami nicht so schnell gemacht.
So war er wohl in der Partei
Doch richtig war er nie dabei.
Ja, Amt und Würden hatt er schon
doch trat er niemals in Aktion
Und hat er jemals sich betätigt
Wurd er gezwungen und genötigt,
Gedrängt, gestossen, schikaniert,
bedrückt, gepeinigt, malträtiert,
Bedroht, verängstigt und betrogen
bekämpft, bespitzelt und belogen
zermürbt, geschädigt, aufgewiegelt
verhetzt, mißhandelt und geprügelt.
Nach alledem ist klipp und klar,
dass Meier Antinazi war
und ist, kein Zweifel dürft bestehn –
als voll entlastet anzusehn.