*14. Mai 1868 Kolberg / Pommern
†14. Mai 1935 Nizza
Arzt, Sexualwissenschaftler
Mitgründer der K. C. Badenia Heidelberg
Mitglied der SPD
Vater: Hermann Hirschfeld (1825–1885), Arzt, Sanitätsrat, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde
Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger bei der 8. Kompanie des „2. Badischen Grenadier-Regiments Kaiser Wilhelm I. Nr, 110“ in Heidelberg
Wintersemester 1887/1888: stud. in Breslau Sprachwissenschaften, dann Medizin in Straßburg, München, Heidelberg und Berlin
26. Oktober 1890: Gründung der jüdischen, nationalkonservativen Studenten-Verbindung K. C. Badenia Heidelberg im Gasthaus „Goldenes Roß“ am Heumarkt 1. (Mitglieder u.a.: Ludwig Haas (1875–1930), Magnus Hirschfeld, Julius Kleeberg (1894-1988), Ludwig Marum (1882-1934). Die Verbindung wird am 11. November 1890 vom Akademischen Disziplinaramt genehmigt, am 8. Juli 1902 verboten)
1892: wird in Berlin zum Doktor der Medizin promoviert
eröffnet in Magdeburg eine naturheilkundliche und allgemeinmedizinische Arztpraxis
zieht nach Charlottenburg bei Berlin
15. Mai 1897: gründet in Charlottenburg mit dem Verleger Max Spohr, dem Juristen Eduard Oberg und dem Schriftsteller Franz Joseph von Bülow das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, zu dessen Vorsitzendem er gewählt wird (bis 1929)
1899-1923: gibt das Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen heraus
1903/04: führt bei Studenten und Metallarbeitern statistische Befragungen zur sexuellen Orientierung durch
7. Mai 1904: wird wegen Beleidigung verurteilt
1907-1909: Tätigkeit als Gerichtsgutachter für sexualkundliche Fragen im Rahmen der Harden-Eulenburg-Affäre
1908: gründet die Zeitschrift für Sexualwissenschaft, deren Herausgabe er im gleichen Jahr wieder einstellt
1910: veröffentlicht die Forschungsarbeit Die Transvestiten: Eine Untersuchung über den erotischen Verkleidungstrieb
1914: veröffentlicht die Schrift Die Homosexualität des Mannes und des Weibes
1914/1918: arbeitet im Ersten Weltkrieg unter anderem als Arzt für Kriegsgefangene im Auftrag des Roten Kreuzes
1917–1920: Sexualpathologie (3 Bde.) erscheint
1918: gründet die Dr. Magnus-Hirschfeld-Stiftung
6. Juli 1919: eröffnet mit dem Dermatologen Friedrich Wertheim und dem Nervenarzt und Psychotherapeuten Arthur Kronfeld das Institut für Sexualwissenschaft
Oktober 1920: Hirschfeld wird nach einem Vortrag in München auf der Straße durch „völkische Rowdys“ schwer verletzt
1921: das Institut für Sexualwissenschaft organisiert die „Erste internationale Tagung für Sexualreform auf sexualwissenschaftlicher Grundlage“
1926: reist auf Einladung der Regierung der UdSSR nach Moskau und Leningrad
1928: Gründung der „Weltliga für Sexualreform“ auf dem zweiten Kongress in Kopenhagen
1929: wird als Vorsitzender des 1897 gegründeten Wissenschaftlich-humanitären Komitees abgewählt
Hirschfeld vertritt eugenische Ideen und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene (1905 von Alfred Ploetz gegründet, 1945 erloschen)
1931: reist zu Vorträgen in die Vereinigten Staaten und anschließend durch Nordamerika, Asien und den Orient. Kehrt nicht nach Deutschland zurück, bleibt im Exil, zunächst in Zürich und Ascona, dann in Paris und Nizza.
6. Mai 1933: Plünderung und Zerstörung des Institut für Sexualwissenschaft durch Studenten der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, Funktionäre und Mitglieder der NS-Organisation Deutsche Studentenschaft
1934: übersiedelt nach Nizza
1935: die Weltliga für Sexualreform wird aufgelöst
1935: stirbt an seinem 67. Geburtstag in Nizza
Literatur:
Christian Helfer, Hirschfeld, Magnus, in: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, S. 226 f.
Rainer Herrn, Magnus Hirschfeld (1868–1935), in: Volkmar Sigusch, Günter Grau (Hg.): Personenlexikon der Sexualforschung. Frankfurt am Main/New York 2009, S. 284–294
Anette Hettinger, Ludwig Marum und die jüdische Studentenverbindung Badenia, in: Heidelberg. Jahrbuch des Heidelberger Geschichtsvereins Nr. 24 (2020), S. 203-214
Hirschfeld, Magnus, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hg.), International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. Band 2,1. München 1983
Magnus Hirschfeld: Autobiographical Sketch, in: Victor Robinson, Encyclopaedia sexualis. A Comprehensive Encyclopedia-Dictionary of the Sexual Sciences. Dingwall-Rock, New York 1936, S. 317–321
Magnus Hirschfeld, Andreas Gaspar, Sittengeschichte des Ersten Weltkrieges, Nachdr. der 2., neubearb. Aufl. – [Frechen]: Komet-Verl., [ca. 1998]
Christian Könne, Hirschfeld und Heidelberg. Zum Studentenleben des Sexualwissenschaftlers und seiner Wirkung in der Region, in: Dana-Livia Cohen, Wolfgang Knapp, Christian Könne „Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region“ 2022 (Schriftenreihe MARCHIVUM Nr. 9), Seite 111 ff.
Volkmar Sigusch, Geschichte der Sexualwissenschaft. Frankfurt am Main / New York 2009, S. 197–233 und 345–390
Charlotte Wolff, Magnus Hirschfeld. A Portrait of a Pioneer in Sexology. London / New York 1986