*26. Juni 1916 Bonn
†7. September 1943 Berlin-Plötzensee (hingerichtet)
Pianist
1933: erhält den internationalen Mendelssohn-Preis in Klavier
März 1943: Kreiten äußert unter dem Eindruck der Niederlage von Stalingrad gegenüber Ellen Ott-Monecke, geb. Neumann (1944 Selbstmord), einer Jugendfreundin seiner Mutter, dass der Krieg verloren sei, und nennt Hitler „einen Wahnsinnigen“. Die Frau denunziert Kreiten.
3. Mai 1943: Kreiten wird am Morgen im Hotel Reichspost verhaftet. Der für denselben Tag angekündigte Konzertauftritt in der Neuen Aula der Universität findet nicht statt. Zwei Namen von Heidelberger Gestapo-Männern, Scheuermann und Feucht, werden genannt. Nach 14 Tagen lernt er im Faulen Pelz am letzten Abend noch seinen Zellennachfolger Rudolf Goldschmitt-Jentner (1890-1964) kennen.
7. September 1943: Kreiten wird wegen „Feindbegünstigung“ in Berlin-Plötzensee durch den Strang hingerichtet
Zitat :
„Am 3. September 1943 wurde der bekannte Pianist Karlrobert Kreiten vom Volksgerichtshof wegen „Feindbegünstigung“ und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und vier Tage darauf in Berlin-Plötzensee gehängt. Der Grund: Der eher unpolitische Musiker hatte im privaten Kreise erklärt, der praktisch verlorene Krieg werde zum Untergang Deutschlands und seiner Kultur führen, und war denunziert worden. Am 15. September meldeten die Zeitungen die Vollstreckung des Todesurteils an dem 27jährigen – auch das 12 Uhr Blatt. Und eben dort erschien dann am 20. September unter der Titelzeile „Künstler – Beispiel und Vorbild“ Werner Höfers fataler, später öffentlich heftig diskutierter Kommentar, der ohne Erwähnung des Namens Kreiten die Hinrichtung rechtfertigte, ja begrüßte: „Wie unnachsichtig jedoch mit einem Künstler verfahren wird, der statt Glauben Zweifel, statt Zuversicht Verleumdung und statt Haltung Verzweiflung stiftet, ging aus einer Meldung der letzten Tage hervor, die von der strengen Bestrafung eines ehrvergessenen Künstlers berichtete. Es dürfte heute niemand Verständnis dafür haben, wenn einem Künstler, der fehlte, eher verziehen würde als dem letzten gestrauchelten Volksgenossen. Das Volk fordert vielmehr, daß gerade der Künstler mit seiner verfeinerten Sensibilität und seiner weithin wirkenden Autorität so ehrlich und tapfer seine Pflicht tut, wie jeder seiner unbekannten Kameraden aus anderen Gebieten der Arbeit. Denn gerade Prominenz verpflichtet!“
Höfer selbst bestritt wiederholt, diese Zeilen geschrieben zu haben. Als der SED-Propagandachef Albert Norden den Artikel 1962 erstmals vor die Öffentlichkeit brachte, gab Höfer sein Ehrenwort, ihm sei in den Artikel „hineinredigiert“ worden. Welche Passagen verändert worden seien, konnte oder wollte er allerdings nicht mehr erinnern, – auch Ende 1987 nicht, als er nach erneuten öffentlichen Diskussionen die Leitung des „Internationalen Frühschoppens“ niederlegen mußte. Erneut beteuerte er, den Namen Kreiten habe er „zum ersten Mal gehört im Zusammenhang mit der Norden-Pressekonferenz“.
Auf welche Weise auch immer die furchtbaren Zeilen entstanden waren – Höfer waren sie offenbar nicht merkwürdig erschienen. Jedenfalls hatte er 1943 nicht versucht, deswegen seine Nebentätigkeit für das 12 Uhr Blatt zu beenden. Schon am 30. September 1943 erschien ein Durchhalteappell in den Bremer Nachrichten: „schweigen und arbeiten“. Und Woche für Woche schrieb er weiter seine Kolumnen im 12 Uhr Blatt. Höfer pries die Tugend der Gastfreundschaft in der Not, das Volkslied als eine der „reinsten Schöpfungen deutscher Seele“ (…)“ (Norbert Frei, Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich, München 1998, p. 144-147 (Johannes Schmitz))
Karlrobert Kreiten sollte am 3. Mai 1943 in der Aula der Heidelberger Universität ein Konzert geben. An diesem Morgen hatte ihn die Gestapo in seinem Hotel verhaftet.
1988: Kent Holliday komponiert ein Klaviertrio In Memoriam: Karlrobert Kreiten
19. Oktober 2023: die Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand veranstaltet aus Anlass des 80. Todestages des Pianisten in der St. Matthäus-Kirche in Berlin-Mitte ein Gedenkkonzert mit begleitender Lesung. Oliver Hilmes liest aus „Schattenzeit. Deutschland 1943: Alltag und Abgründe“. Das Programm des verhinderten Konzerts von 1943 spielt der Pianist Florian Heinisch. https://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/veranst/2023/2023.10.19_Einladung_Gedenkkonzert_Karlrobert_Kreiten.pdf
> Karlrobert-Kreiten-Straße in Bonn-Poppelsdorf
> Kreitenstrasse in Düsseldorf
Literatur:
Norbert Frei, Johannes Schmitz, Journalismus im Dritten Reich. München 1998
Oliver Hilmes, Schattenzeit. Deutschland 1943: Alltag und Abgründe (304 S.), Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M 2023 (Lizenzausgabe, ursprünglich Siedlerverlag, München 2023) https://www.bz-berlin.de/unterhaltung/autor-oliver-hilmes-ueber-die-schattenzeit
San Francisco Chronicle, 28. November 1997, S. B8
Helga Schubert, Judasfrauen. Zehn Fallgeschichten weiblicher Denunziation im Dritten Reich, Frankfurt am Main 4 1990, S. 93-99
Wilhelm Weber, Daniel Wohlgemuth. Leben und Werk. Landau (1988), S. 55ff. (S. 57 Zeichnung von Karlrobert Kreiten)
(Danke für Informationen an Gilbert v. Studnitz und Hans-Martin Mumm)